„…verwechselt immer b und d“
„…ist zu faul zum ordentlichen Schreiben…“
„…liest so langsam…“
„…in der Deutschstunde mit den Gedanken ganz woanders…“
„…eine Fehlerlawine – das ganze Blatt rot angestrichen…“
Bei vielen Grundschülern ergibt sich im Rahmen der Schullaufbahn der Verdacht auf eine Lese- und Rechtschreibstörung, doch lediglich das Verwechseln einzelner Buchstaben gibt noch keinen Aufschluss darüber, ob tatsächlich eine Legasthenie vorhanden ist oder nicht.
Was ist eine Lese- und Rechtschreibstörung bzw. Legasthenie?
Die Lese-und Rechtschreibstörung (F81.0) wird durch die ICD-10 als „umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung der Lesefertigkeiten“ beschrieben, welche nicht alleine durch das „Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung“ erklärbar ist.
Neben den Auffälligkeiten hinsichtlich der Lesefertigkeiten kann es kombiniert zu erheblichen Auffälligkeiten in der Rechtschreibung kommen. Für den mathematischen Bereich wird der Begriff der Rechenstörung (F81.2) verwendet oder von Dyskalkulie (statt Legasthenie) gesprochen. Für die ICD-11 wird überlegt, ob neben der isolierten Rechtschreibstörung auch eine isolierte Lesestörung ohne Rechtschreibschwierigkeiten kodiert wird.
Der Begriff der Legasthenie wird in der Regel als Synonym für die Lese-und Rechtschreibstörung bzw. für die intelligenzunabhängige Form der Lese-Rechtschreibschwäche verwendet. Auch der erbliche Aspekt und die unterschiedlichen Schwere-Grade werden hiermit betont.
Für die Diagnosestellung einer Lese-Rechtschreibstörung wird in der klinisch-psychologischen Diagnostik unter anderem ein Intelligenztest bzw. eine Testbatterie vorgegeben, um ausschließen zu können, dass eine verringerte Leseleistung durch eine verminderte intelligenzmäßige Leistung zu Stande kommt. Zusätzlich werden standardisierte Tests zur Beurteilung der Lese- und Rechtschreibleistung angewandt. Die Ergebnisse werden dabei mit Normen verglichen. Für eine tatsächliche Diagnose muss die jeweilige Lese- bzw. Rechtschreibleistung tatsächlich deutlich abweichen.
In der Pädagogischen Psychologie wird der Begriff der „Lese-Rechtschreibschwäche“ verwendet, um für alle Schülerinnen du Schüler möglichst verschiedene Abstufungen der Symptomatik zu erfassen. Anhand von evidenz- und konsensbasierten Leitlinien (Leitlinie S3) werden ferner zur Qualitätssicherung unter anderem entsprechende Testverfahren zur Erhebung der Rechtschreib- und Leseleistung aufgelistet. Dadurch gibt es vermehrte Bemühungen mit den Testverfahren die Diagnostik förderorientierter zu gestalten, um auch Schülerinnen und Schüler mit einer Lese-und Rechtschreib-schwäche gleichermaßen gut fördern zu können wie jene mit der Diagnose einer Lese-und Rechtschreibstörung. Die Schulpsychologie bietet dabei umfangreiche Informationen über Prinzipien der Leistungsfeststellung sowie Kontaktadressen zu Beratungs- und Fördermöglichkeiten in den jeweiligen Bundesländern.
Mögliche Ursachen der Legasthenie sind Eigenheiten in der Informationsverarbeitung im zentralen Nervensystem. Bei der Informationsverarbeitung lässt dadurch die Aufmerksamkeit nach, wenn Buchstaben oder Zahlen verarbeitet werden, wodurch Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben oder Rechnen auftreten. Die Konzentrationsschwierigkeiten betreffen somit den sprachlich- symbolischen Bereich und nicht, wie z.B. bei einer Aufmerksamkeitsstörung, allgemeine Konzentrationsdefizite. Als sekundäre Symptome kommen oft psychische Probleme durch die Lernschwierigkeiten oder schulische Misserfolge hinzu (z.B. Komorbiditäten wie Motivationsverlust, Ängste, depressive Stimmung, etc).
Häufigkeit und Verteilung bei Mädchen und Burschen
Es wird davon ausgegangen, dass ca. 4-15% der Weltbevölkerung von Legasthenie betroffen sind, unabhängig davon welche Sprache gesprochen wird. Fest steht auch, dass Jungen häufiger von Legasthenie betroffen sind als Mädchen.
Ein großes Problem ergibt sich, wenn eine Legasthenie lange unerkannt bleibt. Es gibt auch Erwachsene mit Legasthenie, bei denen oft ein großer Leidensdruck vorhanden ist, welcher sich durch die gesamte Ausbildungssituation zieht.
Individuelle Therapie und Förderung
Ziel ist es, Strategien zu erlernen, wie man mit den Eigenheiten der Legasthenie oder Lese- Rechtschreibschwäche besser umgehen kann. Bei konkreten Lernproblemen empfiehlt sich auch ein psychologisches Lerntraining, um Konzentrationsübungen und Lernstrategien zu reflektieren und einzuüben. Zusätzlich ist es wichtig auch etwaige Folgeprobleme, wie Ängste oder depressive Stimmung im Rahmen einer Psychologischen Therapie zu behandeln.
Neurofeedback bei Legasthenie/LRS
Mit Hilfe eines Neurofeedback-Trainings wird das Gehirn in einen aufmerksamen und lernbereiten Zustand versetzt. Langsame Wellen (Theta-Wellen) werden reduziert, die Konzentration wird gefördert (Beta-Wellen) und Impulsivität wird gemindert (SMR-Wellen). Zusätzlich ist die Vermittlung maßgeschneiderter Lernstrategien sowie ein geeignetes Lerntraining für den weiteren Erfolg des Trainings wichtig. So können Schritt für Schritt die Leistungen in den grundlegenden Bereichen verbessert werden. Die Schüler können so durch erste Erfolgserlebnisse Frustrationen und die negative Grundeinstellung zum Lesen und Schreiben abbauen und wieder neue Motivation und positive Lernerlebnisse erlangen.
Fallbeispiel Maximilian
Ausgangszustand:
- 14 Jahre (4. Klasse Gymnasium, Unterstufe)
- Lese-und Rechtschreibstörung
- Verdacht auf ADHS konnte im Rahmen der klinisch-psychologischen Diagnostik nicht bestätigt werden
- Leicht ablenkbar in der Deutschstunde, Konzentrationsschwierigkeiten beim Schreiben von Aufsätzen
- Demotiviert durch lange Lernzeiten und starken Lernaufwand
Therapie:
- Elterninfo, Schullaufbahnberatung
- Förderung der eigenen Interessen und Fähigkeiten
- Erlernen geeigneter Lernstrategien
- Maßgeschneidertes Neurofeedback (zur Steigerung der Aufmerksamkeit und Reduktion der Ablenkbarkeit, Teilleistungstraining, praxisorientiertes Symptomtraining, positive Verstärkung und Motivation, etc.)
- „es selbst in die Hand nehmen“, Wissen und Kompetenzen im Umgang mit der Legasthenie erlangen
Ergebnis:
- Bessere Lernleistung (u.a. auch durch Schulwechsel)
- Verbesserte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistung
- Bessere Leistung in den Teilleistungsbereichen
- Verbesserte Motivation
- Erhöhte Selbstständigkeit beim Lernen und entwickeln eigener Lernstrategien (z.B. Eselsbrücken)
- Verminderte Fehlerzahl
Fallbeispiel Alexandra
Ausgangszustand:
- Gymnasium (2. Klasse Unterstufe, 12 Jahre)
- Lese-und Rechtschreibstörung
- schlechte Noten in Deutsch, „negativer Ruf“ bei der Deutschlehrerin, demotiviert durch Misserfolge
- Lern- und Übungsdefizite, Motivationsverlust beim Lesen, Schwierigkeiten beim Erfassen der Anforderungen bei Schularbeitsaufgaben
- Prüfungsangst in Form von Blackouts
Therapie:
- Aufmerksamkeitsübungen
- Verbesserungen der Leistungsbereiche
- Psychologisches Lerntraining
- Förderung der Motivation
- Selbstsicherheitstraining, Angstmanagement
Ergebnis:
Im Rahmen des Trainings verbesserte sich die Lese- und Rechtschreibleistung bereits innerhalb eines halben Jahres deutlich. Durch den Aufbau der individuellen Lernstrategien verbesserte sich auch längerfristig die schulische Motivation. Die Angst vor Prüfungen verringerte sich, individuelle Aufmerksamkeits- und Konzentrationsübungen sowie das Lese- und Rechtschreibtraining wurden zur Unterstützung weitergeführt.