Die Pandemie hat viele Menschen psychisch enorm belastet. Jetzt sei es an der Zeit, dass wir wieder „auf Covid vergessen“, also nicht ständig daran denken, und damit wieder Kraft tanken, sagt Psychologe Norman Schmid.
ORF-NÖ Interview vom 10. Juni 2021
https://noe.orf.at/stories/3107808/
Je länger die Pandemie andauerte, je mehr Lockdowns beschlossen wurden, desto mehr nahmen etwa depressive Symptome bei Jugendlichen oder auch psychische Störungen bei Erwachsenen zu. „Was jetzt wichtig ist, ist auf die Pandemie und auf Covid zu vergessen“, sagt Norman Schmid, Leiter des Berufsverbandes der niederösterreichischen Psychloginnen und Psychologen, „im guten Sinne einer Verdrängungsmaßnahme nicht ständig daran zu denken, sondern ein gutes Leben zu leben.“
„Übertriebene Risikowahrnehmung“
Man sollte laut Schmid das, was einem Spaß macht, fördern und sich auch mit anderen treffen, „natürlich mit den noch notwendigen Sicherheitsmaßnahmen – ganz klar – aber, dass man eigentlich ein Leben lebt, so wie man es auch früher gewohnt war, und möglichst Positives stärkt, fördert und in sich verankert, damit man wieder Kraft tanken kann, um zu regenerieren und um auch gut in den Herbst gehen zu können.“
Dass manche Menschen nach wie vor zögern, sich impfen zu lassen, oder „noch warten wollen“, erklärt der Psychologe im Gespräch mit noe.ORF.at unter anderem mit einer übertriebenen Risikowahrnehmung: „Es gibt immer noch ein paar, die verunsichert sind. Obwohl schon sehr viel vorangeschritten ist und die Daten ja sehr für die Impfung sprechen, sind manche noch verunsichert und haben den Eindruck, es gäbe zu wenig Daten dazu.“ Ebenso würde das Risiko überschätzt, das tatsächlich sehr gering sei. Zudem habe Schmid den Eindruck, dass die Risiken der Impfungen gegen das Coronavirus medial „übertrieben stark kommuniziert wurden und die Vorteile da zum Teil untergegangen sind.“
Impfung für Kinder als „Privileg“ sehen
Noch schwerer fällt vielen die Entscheidung, ob ihre Kinder geimpft werden sollen. „Man möchte hier nichts falsch machen“, bestätigt der Psychologe. Aktuell können auch für Zwölf- bis 15-Jährige Impftermine gebucht werden, bis 14 Jahre müssen die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten die Anmeldung vornehmen.
„Auch hier haben wir eine starke Risikowahrnehmung“, erklärt Schmid, „viel wichtiger wäre, dass man sich bewusst macht, dass die Impfung ja eigentlich ein Privileg ist – viele andere Staaten sind noch nicht so weit, wie wir in Österreich sind – und dass es viele Vorteile für Kinder und Jugendliche hat, wenn sie sich wieder viel befreiter, ohne Sorgen, ohne Einschränkungen, normal mit Gleichaltrigen treffen können und ein normales Leben leben können.“
Text aus noe.orf.at