Die COVID-19 Erkrankung hält nicht nur die medizinische Welt und unsere gesamte Gesellschaft in Atem, sondern führt auch zu Herausforderungen für Klinische- und Neuropsychologie. Die Berichte von Long-COVID Symptomen haben über den Verlauf der vergangenen zwei Jahren deutlich zugenommen. Aktuelle Studien belegen, dass bei mindestens 13% der Erkrankten ein Long-COVID-Syndrom auftritt. Dieses kann auch nach milden Verläufen auftreten und auch bei Personen, die davor gesundheitlich in Topform waren.
Eine Metaanalyse von Lopez-Leon et al. (2021) konnte zeigen, dass vor allem reduzierte Belastbarkeit (58%), erhöhte Müdigkeit (58%), Kopfschmerzen (44%), Aufmerksamkeitsstörungen (28%) und Gedächtnisproblemen (16%) angegeben werden. Auch nach ca. 8 Monaten weisen 18% eine Beeinträchtigung der Verarbeitungsgeschwindigkeit, 16% der exekutiven Funktionen, 15-20% der Wortflüssigkeit und 24% der Gedächtnisfunktionen auf (Becker et al., 2021). Das führt zu deutlicher Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit und auch des privaten Lebens.
Die Symptome sind nach Intensivmedizinischer Behandlung mit Beatmung noch stärker ausgeprägt und führen dazu, dass die Arbeitsfähigkeit deutlich eingeschränkt ist. Eine Studie hat gezeigt, dass nach 12 Monaten nur 56% wieder berufstätig waren (McPeake et al., 2019).
Diese Daten weisen darauf hin, dass die Folgeprobleme von COVID in der Bevölkerung zu enormen Herausforderungen der Rehabilitation führen werden. Hier spielen auch die Klinische Psychologie und Neuropsychologie eine bedeutsame Rolle.
Neurofeedback kann als ein vielversprechender Bestandteil einer multimodalen Therapie gesehen werden. Da bei vielen Patienten mit Long-COVID-Syndrom als ein Hauptbestandteil ein „foggy brain“ vorhanden ist, das mit Aufmerksamkeitsproblemen, Müdigkeit und Gedächtnisproblemen einhergeht, bieten sich als Neurofeedback-Ansatzpunkte folgende Therapieprotokolle an: Theta down, Beta up und SMR up. Zur Förderung der Erholungsfähigkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit ist auch ein Alpha-Training empfehlenswert. Nachdem diese Ansätze bereits bei anderen neuropsychologischen Störungen wirkungsvoll eingesetzt werden, ist davon auszugehen, dass diese auch bei Long-COVID effektiv sind.
Damit die Neurofeedback-Therapie zielgenau durchgeführt werden kann, ist eine ausführliche QEEG-Diagnostik wichtig, wodurch die individuellen Auffälligkeiten des EEG im Vergleich zu gesunden Normalpersonen identifiziert werden können. Darauf aufbauend kann ein maßgeschneiderter Therapieplan mit Neurofeedback erstellt werden.
Erste Neurofeedback-Therapien bei Patienten mit Long-COVID Symptomen in unserer Praxis sind vielversprechend. Ergänzend sind alle Methoden der Erholungsförderung, Ressourcen-Aktivierung und der psychischen Verarbeitung eines (schweren) Krankheitsverlaufes für die Genesung von Bedeutung.
Literatur:
Kopanska, M. et al., 2021. Changes in EEG recordings in COVID-19 patients as a basis for more accurate QEEG diagnostics and EEG neurofeedback nherapy: A systematic review. Journal of Clinical Medicine, 10, 1300.
Luckos et al., 2021. EEG neurofeedback in the treatment of cognitive dysfunctions after the infection of SARS-COV-2 and Long-COVID-19. Acta Neuropsychologica, 19 (3), 361-372.
Peper, M. & Schott, J. (2021). Neuropsychologische Störungen bei coronavirusassoziierten Erkrankungen. Zeitschrift für Neuropsychologie, 30 (4), 195-222.