Depression

Die verschiedenen Gesichter der Depression

Kurzzeitige depressive Verstimmungen kennt wohl jeder Mensch. Die Auslösefaktoren sind vielfältig: Belastungen in Beruf oder Familie, Todesfälle von nahestehenden Personen oder schwere Krankheiten. Bei solchen vorübergehenden depressiven Verstimmungen ist eine Therapie im Allgemeinen nicht notwendig.

Von Depressionen spricht man hingegen, wenn über mindestens zwei Wochen eine depressive Stimmung vorhanden ist, das Interesse und die Freude an nahezu allen Aktivitäten verloren geht und der Antrieb deutlich reduziert ist. In diesen Fällen sollte ein Klinischer Psychologe und Arzt aufgesucht werden.

Depressionen sind bei Personen unterschiedlichsten Alters vorhanden und gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. Die genaue Diagnose kann durch eine ausführliche klinisch-psychologische Diagnostik festgestellt werden und ist eine wichtige Voraussetzung für die Therapieplanung.

 

Depressive Episode

Der Begriff depressive Episode hat die früher gebräuchlichen Bezeichnungen neurotische Depression und endogene Depression abgelöst.
Eine depressive Episode ist gekennzeichnet durch folgende Symptome:
  • Depressive, gedrückte Stimmung
  • Verlust von Interesse oder Freude
  • Erhöhte Ermüdbarkeit
  • Konzentrationsprobleme
  • Vermindertes Selbstwertgefühl
  • Schuldgefühle
  • Negative Gedanken
  • Gedanken an den Tod (Suizidgedanken)
  • Schlafstörungen
  • Reduzierte Libido
  • Verminderter Appetit
Es können bei schwereren Formen auch psychotische Symptome vorhanden sein, die sich durch massive Schuldgefühle oder Halluzinationen äußern.
Verschiedene körperliche Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, etc. sind sehr häufig; hierbei besteht das Risiko, dass bei starken körperlichen Symptome eine zugrundeliegende Depression nicht erkannt wird.
Zur Einteilung, ob eine leichte, mittelgradige oder schwere depressive Episode vorhanden ist, müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, die in der klinisch-psychologischen Diagnostik festgestellt werden.
Depressive Episoden gehören zu den häufigsten psychischen Störungen. 10-25% der Frauen und 5-12% der Männer weisen zumindest einmal im Leben eine depressive Episode auf. Der Beginn kann in jedem Lebensalter sein, wobei durchschnittlich in den Mittzwanzigern die erste Phase auftritt. Der Verlauf kann individuell stark variieren; bei einigen Personen ist nur eine einzelne Phase vorhanden, bei anderen kommt es in bestimmten Abständen zu wiederholtem Auftreten der Beschwerden. Eine gute Nachricht ist, dass durch eine geeignete Therapie bei 75% der Betroffenen die depressive Episode wieder vollständig endet.

Dysthymia

Unter Dysthymia wird eine anhaltende depressive Verstimmung über zumindest zwei Jahre verstanden, die nicht so stark ausgeprägt ist, dass die Kriterien einer depressiven Episode erfüllt sind. Die Beschwerden weisen im Allgemeinen einen schwankenden Verlauf auf, wobei oft monatelang eine gedrückte Stimmung vorhanden ist, alles anstrengend empfunden wird und keine Freude erlebt werden kann.
Bei etwa 6% der Bevölkerung ist einmal im Leben eine Dysthymia vorhanden. Der Beginn ist häufig bereits in der Kindheit, Jugend bzw. im jungen Erwachsenenalter vorhanden.

Rezidivierende depressive Störung

Bei der rezidivierenden depressiven Störung kommt es zu wiederholten depressiven Episoden, wobei zwischen den Episoden längere Phasen ohne depressive Symptome vorhanden sind. Allgemein kann man sagen, dass bei wiederholtem Auftreten einer Depression die Symptome immer stärker ausgeprägt sind. Deshalb ist es von besonderer Bedeutung, eine wirkungsvolle Rückfallprophylaxe zu betreiben.

Herbst/Winterdepression (Saisonale Depression)

Hierbei handelt es sich um wiederholte depressive Episoden, die ausschließlich in der dunklen Jahreszeit, ca. von Oktober bis Februar/März vorhanden sind. Im Frühjahr und Sommer sind im allgemeinen keine Beschwerden vorhanden. Die Herbst/Winterdepression ist ein Spezialfall der rezidivierenden depressiven Störung.

Die Häufigkeit liegt bei ca. 4-5% der Bevölkerung, wobei zusätzlich ca. 15% eine mildere Form aufweisen. Somit ist jeder Fünfte von einer Herbst-/Winterdepression betroffen. Wie auch bei den depressiven Episoden sind mehr Frauen als Männer betroffen (4:1). Der Beginn liegt zwischen 20.-40. Lebensjahr. Aber auch ca. 2-5% der Kinder und Jugendlichen zeigen eine saisonale Depression.

Typische Symptome sind:

  • Depressive Stimmung, Unruhe, negative Gedanken
  • Energiemangel
  • Übermäßiges Schlafbedürfnis
  • Tagsmüdigkeit
  • Heißhunger nach Süßem
  • Gewichtszunahme während der Wintermonate
  • Konzentrationsstörungen
  • Zwischenmenschliche Konflikte
  • Verminderte Libido

Ausgelöst wird die Herbst/Winterdepression durch Lichtmangel. Zum Vergleich: zu Mittag an einem Sommertag ist eine Lichtstärke von 50.000 lux vorhanden, an einem bewölkten Tag 3.000 lux und im Büro im Herbst 200-500 lux. Durch die verringerte Lichtstrahlung wird unsere innere biologische Uhr (im Hypothalamus des Zwischenhirns) aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Organismus wird durch die äußeren Einflüsse getäuscht; der Körper stellt sich auch tagsüber auf Nacht ein, wodurch die typischen Symptome wie Energiemangel und Müdigkeit entstehen.
Als Therapie bietet sich die Lichttherapie mit speziellen Geräten an.

Bipolare affektive Störung (Manisch-depressive Störung)

Bei der bipolaren affektiven Störung handelt es sich um wiederholte Episoden bei denen wechselweise eine gehobene Stimmung mit gesteigerter Aktivität (manische Episode) und eine Stimmungssenkung mit vermindertem Antrieb (Depression) vorhanden ist. Die manischen Phasen beginnen meist plötzlich und dauern zwischen 2 Wochen und 5 Monaten. Die depressiven Phasen dauern durchschnittlich 6 Monate.

Ursachen von Depressionen

Die Ursachen von Depressionen sind vielfältig. Heute geht man davon aus, dass das gemeinsame Auftreten verschiedene Faktoren zur Ausprägung einer Depression führt (multifaktoriell). Als wichtige Ursachen sind vor allem belastende Lebensereignisse, wie Arbeitswechsel, Arbeitsverlust, Tod von nahestehenden Personen, Stress, chronische Erkrankungen, etc. zu nennen.
Bestimmte negative Gedanken wie „Ich bin dem hilflos ausgeliefert.“ „Es wird alles immer schlimmer.“ „Ich bin eine Belastung für die Familie.“ „Ich bin schuld an . . . „ und Ähnliches führen zu einer depressiven Stimmung, die neuerlich zu negativen Gedanken führt, wodurch ein Teufelskreis entsteht (siehe auch Kognitive Umstrukturierung).
Weiters spielen ungünstige Einflüsse bei der Entwicklung im Kindes- und Jugendalter eine Rolle, wie z.B. Vernachlässigung oder Gewalt in der Familie oder Eltern die selbst depressiv sind.
Genetische Einflüsse sind teilweise ebenfalls vorhanden, wobei Geschwister nur in 15-20% ein gleichzeitiges Auftreten von Depression zeigen. Außerdem wird nur die „Anfälligkeit“ weitervererbt; ob eine Depression entwickelt wird oder nicht, ist überwiegend von bestimmten negativen Lebensereignisse abhängig.
Bei der Herbst-/Winterdepression ist ein Lichtmangel in der dunklen Jahreszeit für die depressive Stimmung, Energielosigkeit und Heißhunger verantwortlich.

Psychologische Therapie

Die psychologische Therapie setzt sich aus verschiedenen Ansatzupunkten zusammen. Bei der Behandlung der Depression sind vor allem Methoden der kognitiven Umstrukturierung, Ressourcen-Aktivierung, Achtsamkeit, Gesprächstherapie und Hypnose von Bedeutung.

Bei der kognitiven Umstrukturierung  geht es darum, bestimmte negative Gedanken zu identifizieren, die häufig die Ursache für die Depression sind. Depressive Personen neigen oft dazu, sich selbst übermäßig zu kritisieren („Ich kann das nicht.“ „Ich bin schuld.“, etc.) und unangenehme Erfahrungen eignen psychischen, moralischen oder körperlichen Mängeln zuzuschreiben. Weiters werden die Erfahrungen im Beruf und im Privatleben häufig als Niederlagen und Enttäuschungen erlebt. Schließlich wird auch für die Zukunft nichts Gutes erwartet (pessimistische Zukunftserwartungen). All dies führt zu Gefühlen der Wertlosigkeit, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Den negativen Gedanken ist gemeinsam, dass sie häufig übertrieben pessimistisch sind. Auch kleine positive Erlebnisse werden abgewertet („Das war nichts besonderes“) bzw. können positive Ereignisse oft nicht angenehm empfunden werden, da das Genießen verlernt wurde.

Bei der kognitiven Umstrukturierung lernt der Patient, diese Gedanken gemeinsam mit dem Therapeuten zu erkennen und zu überprüfen, ob diese Gedanken einer Situation angemessen oder übertrieben negativ ausgeprägt sind. Es werden dann andere Interpretationen herausgearbeitet und der Patient lernt, eine Situation von verschiedenen Seiten zu sehen und nicht immer die schlechteste Variante als gegeben hinzunehmen. Über diesen Weg wird der negative Gedankenkreislauf unterbrochen, das Denken wird wieder positiver und die Stimmung bessert sich.
Weiters haben sich Ressourcen-Aktivierung und Achtsamkeit  bewährt. Dabei geht es um ein Wiedererlernen von Genuss, bewusstem Wahrnehmen und Aktivierung positiver Erlebnisse.
Klärungsorientierte Verfahren, wie die zielorientierte Gesprächspsychotherapie setzen an zugrundeliegenden konflikthaften Bewältigungsstrategien an (Schemata), die in der Therapie aufgedeckt werden und somit durch den Patienten verändert werden können.

Neurofeedback

Mit Hilfe Neurofeedback  lernen die Patienten ihre Gehirnwellen zu verändern und dadurch die Stimmung nachhaltig zu verbessern. Bei depressiven Personen ist häufig ein Überwiegen von langsamen Wellen vorhanden (Theta) bzw. eine Verschiebung der natürlichen Verteilung zwischen linker und rechter Gehirnhälfte (Hemisphäre).
Mit Neurofeedback wird gelernt, die Gehirnwellen ins Gleichgewicht zu bringen:
1. langsame Wellen, vor allem im Frontalbereich werden reduziert
2. die natürliche Verteilung bestimmter Wellenmuster in der linken und rechten Gehirnhemisphäre wird wiederhergestellt. Beta wird in der linken Hemisphäre erhöht, Alpha in der linken Hemisphäre reduziert (wenn dies dort vorhanden ist; das betrifft einen Subtyp von depressiven Personen).
Dadurch werden die „Fehlfunktionen“ des Gehirns korrigiert und das Bewusstsein nachhaltig verändert. Es gelingt dann besser, sich mehr auf die positiven Aspekte des Lebens einzulassen und in weiterer Folge das Leben wieder genießen zu können.

Medizinische Therapie

Medikamentöse Therapie

Bei der medikamentösen Therapie kommen sogenannte Antidepressiva zum Einsatz. Heute werden vor allem SSRI (Selektive Serotonin Wiederaufnahme Hemmer) und SNRI (Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahme Hemmer) verwendet, die sich durch geringere Nebenwirkungen auszeichnen. Jedoch sind es diese Nebenwirkungen, die unangenehm sein können und dazu führen, dass die Medikamenteneinnahme manchmal abgebrochen wird. Zudem tritt die Wirkung erst nach 2-3 Wochen ein. Zu Beginn der Therapie werden somit vor allem die Nebenwirkungen und weniger die eigentlichen Wirkungen verspürt; nach einigen Wochen lassen dann die Nebenwirkungen nach und die gewünschte Wirkung setzt ein. Es ist wichtig, dass sich der Patient auf diese „Anfangsprobleme“ einstellt, um die Therapie nicht frühzeitig abzubrechen. Bei Problemen sollte jedoch der behandelnde Arzt informiert und eventuelle Medikamentenänderungen besprochen werden. Die Dauer der Einnahme beträgt im allgemeinen zumindest 6 Monate, um vorzeitige Rückfälle zu vermeiden.

Aminosäuren und orthomolekulare Medizin

Gezielte Therapie mit Vitaminen und Spurenelementen für das natürliche Gleichgewicht im Körper.

Phytotherapie  (Pflanzenmedizin)

In letzter Zeit haben auch pflanzliche Präparate, v.a. aus Johanniskraut an Bedeutung bei leichten bis mittelgradigen depressiven Episoden gewonnen.

Lichttherapie bei Herbst-/Winterdepression

Mit speziellen Lichttherapie-Lampen wird ein helles Licht erzeugt (bis 10.000 lux), das dem Körper und der Psyche wieder auf die Sprünge hilft. Dazu ist es notwendig, dass man ca. 30-45 Minuten pro Tag vor dieser Lichttherapie-Lampe sitzt. Man kann daneben lesen oder fernsehen; einmal pro Minute sollte man direkt in das Licht sehen. Bevor ein Lichttherapie-Gerät gekauft wird, gibt es oft die Möglichkeit der Miete. Damit kann jeder vorab feststellen, ob die Lichttherapie den gewünschten Effekt erbringt. Vor der Therapie ist eine genaue Abklärung durch die medizinische und klinisch-psychologische Diagnostik wichtig. Bei Depressionen, die nicht durch Lichtmangel hervorgerufen wurden, ist eine Lichttherapie nicht wirkungsvoll. Hier bietet sich die psychologische Therapie und medizinische Therapie an.

Selbsthilfe bei Depressionen

  • Versuchen Sie jenen Aktivitäten nachzugehen, die Ihnen bisher Freude bereitet haben.
  • Lassen Sie sich durch Familienmitglieder und Freunde nicht unter Druck setzen. Die anderen meinen es zwar gut mit Äußerungen, wie „Nimm Dich doch zusammen“, etc., wissen jedoch nicht, dass gerade diese Äußerungen häufig zu einer Verschlechterung der Stimmung führen.
  • Sie haben kein moralisches Problem, sondern können wegen der Depression Verschiedenstes nicht tun. Teilen Sie dies den Personen mit, die Sie motivieren wollen und dadurch (ohne böse Absicht) unter Druck setzen.
  • Gehen Sie möglichst oft an die frische Luft, um von der Sonnenstrahlung (auch durch Nebel oder Wolken) zu profitieren. Dies ist besonders dann wichtig, wenn Sie unter einer Herbst-/Winterdepression leiden.
  • Strukturieren Sie Ihren Tag; nehmen Sie sich für den nächsten Tag bestimmte Aktivitäten vor, damit Sie Zeit zum Grübeln verhindern. Außerdem haben Sie dadurch die Gelegenheit, angenehme Tätigkeiten durchzuführen, die sich wiederum positiv auf ihre Stimmung auswirken.
  • Achten Sie auf einen gesunden Lebensstil (Entspannung, Stressmanagement, gesunde Ernährung, Bewegung)
  • Wenn diese Strategien keine ausreichende Wirkung erreichen, sollten Sie nicht zuwarten und einen Klinischen Psychologen aufsuchen. Er kann mit Ihnen gemeinsam geeignete Selbstmanagement-Strategien entwickeln, um wieder Lebensfreude zu erlangen.
  • Wichtig ist auch, dass mögliche organische Ursachen untersucht werden, bevor mit einer Therapie begonnen wird.
  • Bei stärker ausgeprägten Depressionen ist eine Kombination von psychologischer Therapie mit medikamentöser Untersützung sinnvoll.
  • Die Einnahme von Medikamenten ohne ärztliche Verschreibung sollte vermieden werden, um eventuelle gesundheitsgefährdende Auswirkungen zu verhindern.

BLOG-Artikel:

https://www.schmid-schmid.at/blog/aktuelles/achtsamkeits-meditation-wirkt-gleich-wirksam-wie-antidepressiva